Доповідь владики Богдана Дзюраха на подіумній дискусії Фонду Конрада Аденауера

Оригінал

Sehr geehrte Damen und Herren,

vorerst möchte ich mich bei den Organisatoren dieser Veranstaltung herzlich bedanken für diese Möglichkeit, heute hier mit Ihnen zu sein und bei diesem Podiumsgespräch mit Ihnen einige Gedanken zu teilen. Ich wünsche uns allen, dass unser Treffen von der Verantwortlichkeit beseelt wird für unser gemeinsames Erbe, das Europa heißt, für dessen Gegenwart und dessen Zukunft.

Die Unterdrückung der Freiheit und der Kampf für die Freiheit im 20. Jahrhundert

Es gibt in der Geschichte eines jeden Volkes Ereignisse, die tiefe Spuren in seiner Identität hinterlassen und sein Schicksal für immer markieren. Es können sowohl positive als auch negative Erlebnisse sein, die aus der Perspektive der Zeit als ganz wesentlich und hoffnungsvoll betrachtet werden. Man könnte sogar die Behauptung wagen, dass gerade die schmerzhaftesten Erlebnisse, wenn sie auf richtige Weise aufgearbeitet werden, sich als besonders wertvoll und hoffnungstragend erweisen könnten.

Wenn wir nun an das vergangene 20. Jahrhundert denken, so erinnern wir uns an die Ereignisse, die in der Vorankündigung des heutigen Podiums aufgezählt sind: der Warschauer Aufstand 1944, der Aufstand in der DDR vom 17. Juni 1953, der Ungarn-Aufstand 1956, der Prager Frühling 1968 und der Euromaidan 2013/2014 in der Ukraine. Diese und ähnliche Ereignisse bleiben als leuchtende Sterne auf dem dunklen Himmel des Terrors, des Hasses und der Gewalt, von denen das vorige Jahrhundert gekennzeichnet war. Dank der Kraft des menschlichen Geistes und des bewundernswerten Mutes der Menschen, die in ihnen in Erscheinung getreten sind, bleiben sie für immer Orientierungspunkte für die kommenden Generationen.

Man könnte diese Reihe noch mindestens durch drei weitere Ereignissen erweitern, die für das ukrainische Volk im 20. Jahrhundert besonders wichtig waren: Es geht in erster Linie um die Freiheitskämpfe, die die Ukrainer von 20-en Jahren bis zur Mitte der 50-en sowohl im Osten als im Westen des Landes gegen zwei totalitäre Systeme geführt haben. Insbesondere aber möchte ich zwei andere Ereignisse ins Gedächtnis rufen: die Revolte der politischen Häftlinge in Norilsk im Sommer 1953 und der Aufstand der Gefangenen im kasachischen Lager Kengir, der ein Jahr später stattfand. Im Lager von Norilsk stammten über 70 % und im Lager Kengir fast die Hälfte der Aufständischen aus der Ukraine. Nach dem Tod Stalins erhoben sich in diesen Lagergebieten die Häftlinge, verweigerten die Arbeit und forderten ihre Freiheit. Alle zwei Revolten wurden blutig niedergeschlagen. Zwar scheiterte das Aufbegehren der Häftlinge, jedoch gab es dann doch Lockerungen des Arbeits- und Lagerregimes sowie umfangreiche Amnestien. Insofern waren diese Aufstände letztlich erfolgreich und «der Anfang vom Ende des GULAG-Systems» — so beschreibt diese Ereignisse Siegfried Jenkner in seinem Vortrag beim Jahrestreffen der Lagergemeinschaft Workuta 2004. Dabei zitiert der Autor in dem Titel des Vortrags die Worte von Aleksander Solschenizyn «Der Bazillus der Freiheit wandert über den Archipelag GULAG». Als Leitmotiv ihres Handels haben die Häftlinge von Norilsk, von Kengir und vielen anderen Lagern den Ruf «Freiheit oder Tod» genommen und sich von ihm bis zum Ende leiten lassen.

Damit sind wir zu dem Schlüsselwort angelangt, das die Bestrebungen sowohl der Völker als auch der einzelnen Menschen die ganze Menschheitsgeschichte hindurch bestimmte: Die Freiheit. Sie ist eine der grundlegenden Wirklichkeiten, ohne die nicht nur das menschliche Leben in seiner ganzen Fülle nicht zu verwirklichen ist, sondern die Existenz der ganzen Schöpfung als unvorstellbar scheint. In diesem Sinne schrieb der ukrainische Dichter Oleksandr Oles in einer seiner Poesien: «Frühling, blühe nicht auf, weil mein Volk sich in Ketten befindet».

Die Unterdrückung der Freiheit öffnet die Tür für jede Art der Ungerechtigkeit und Gewalt, die sogar blutige Formen annehmen kann. Deshalb kann Blutvergießen ein Anzeichen für unterdrückte Freiheit sein. Als die ersten Opfer auf dem Unabhängigkeitsplatz von Kiew — dem Maidan — gefallen sind, haben die Menschen verstanden, wie das Land und das Volk von der Diktatur der Präsidentschaft Yanukowitschs an den Rand der Existenz getrieben, ja nahe ihrem Abgrund gebracht wurde. Eine solche Erfahrung wollen wir nie wieder in unserer Geschichte zulassen oder wiederholen.

Freiheit und Menschenwürde

Es wird sicherlich heute zu diesem Thema Vieles gesagt werden. Eines möchte ich mit Ihnen teilen: Meiner Meinung nach sollte der Mensch vorerst eine innere Freiheit erworben haben, bevor er für die Freiheit als eine bürgerliche Tugend oder Wirklichkeit eintreten kann. Eben dieser Zustand der inneren Freiheit gibt dem Menschen die Kraft und den Mut, die eigenen Rechte zu verteidigen und für die Freiheit des Anderen ein- und aufzutreten. In diesem Kontext könnte man die Freiheit als eine der wichtigsten und unentbehrlichsten Eigenschaften der menschlichen Würde betrachten, für deren Bewahrung die Menschen aller Zeiten bereit waren, den höchsten Preis — den des eigenen Lebens — zu zahlen. Dabei erklärten sie nicht selten, dass es besser sei aufrechtstehend zu sterben als kniend am Leben zu bleiben. Nur vor Gott kann der Mensch in die Knie gehen, weil Gott der Ursprung der menschlichen Würde ist und nur Er die Würde des Menschen wirklich sichern kann, indem Er den Menschen von allerlei Art der Sklaverei befreit.

Die Würde ist es, aus der sich natürliche Rechte und Pflichten des Menschen ableiten. Diese Würde kann kein Mächtiger dem Menschen rauben und darin besteht seine lebensbejahende und befreiende Freude, die man auch inmitten der Verfolgungen und Bedrohungen ausstrahlt, welche die Außenstehende nicht immer wahrnehmen und verstehen können.

Ich denke dabei an den Seligen Märtyrer Omelian Kovč, der aus dem Vernichtungslager Majdanek bei Lublin, wo er wegen seines Engagements für die Rettung der Juden 1944 hingerichtet wurde, in einem seiner letzten Briefe an die Familienangehörigen schrieb: «Außer dem Himmel ist dies der einzige Ort, an dem ich weilen möchte. Hier darf ich Gott schauen, der für alle — unabhängig von den religiösen Unterschieden, die es unter uns gibt — gleich ist…».

Ich denke auch an einen der Aktivisten des Euromaidanes, der im Winter dieses Jahres in Kiew, nachdem das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte die ersten Opfer forderte, sagte: «Wir, Ukrainer, wissen, dass es keinen Tod mehr gibt. Wir haben ihn überwunden. Für uns wird deshalb der Tod zur Freude. Ich habe es früher nicht verstanden. Erst hier habe ich es begriffen. Wir brauchen kein Reichtum und kein Vermögen. Uns reicht Freiheit und die Möglichkeit, über das eigene Schicksal zu entscheiden. Und ich wünsche allen diese Gnade, die derzeit über der Ukraine ruht». Die Menschen in der Ukraine entdecken immer stärker ihre eigene Würde. Um diese Würde zu verteidigen und zu festigen, zahlen sie in den letzten Monaten einen hohen Preis. Deshalb wird die Massenbewegung, die in Hauptstadt Kiew und in vielen anderen Städten der Ukraine im Winter 2013/14 stattfand, als Revolution der Würde bezeichnet.

Das Streben nach der Freiheit und nach der damit verbundenen immer stärker werdenden Bewusstheit der Menschenwürde sind also sehr eng miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig. «Bewusstsein von Freiheit und Menschenwürde, verbunden mit der Bejahung der unveräußerlichen Rechte der Person und der Völker, ist eines der hauptsächlichen Kennzeichen unserer Zeit» — behauptete damals Kardinal Josef Ratzinger, unser heutiger Papst-Emeritus in der Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre «Über die christliche Freiheit und Befreiung» (Nr. 1). Und gleichzeitig betonte er, dass die Beseitigung der Hindernisse, die die Freiheit in ihrer Entfaltung behindern und die die Menschenwürde verletzten, am Anfang der starken Sehnsucht nach Befreiung steht, die unsere Welt bis heute bewegt. Deshalb ersehnen viele Menschen, die gebeugt sind unter der Last des jahrhundertelangen Elends, ein Leben in Würde und Gerechtigkeit zu führen, und sie sind auch bereit, für ihre Freiheit zu kämpfen (Nr. 18). In der Tat, bewegt das Bewusstsein der eigenen Würde einen Menschen dazu, sich an die Weisungen des Gewissens zu halten und der inneren Stimme zu folgen, auch wenn dies zu möglichen Verfolgungen und Gefahren führen kann.

Freiheit und Wahrheit

Um dem eigenen Gewissen zu folgen, muss sich der Mensch zuerst auf die Suche nach der Fülle der Wahrheit aufmachen. Die Wahrheit stellt immer eine notwendige Bedingung für die Freiheit dar. Jesus sagte zu seinen Jüngern: «Die Wahrheit wird euch frei machen» (Joh 8, 32).

Deshalb bedienten sich Diktatoren aller Zeiten der Lüge, um ihr Volk in der Sklaverei festzuhalten. Wenn die Lüge und die Manipulation der Wahrheit systematisch und umfassend angewendet wird, nimmt sie die Form der politischen Propaganda an, dieses, nach den Worten des Heiligen Johannes Paul II., «mörderischen Kriegswerkzeugs», das neben den konventionellen, den chemischen, den biologischen und atomaren Waffen während des Zweiten Weltkrieges sehr stark verbreitet war. «Bevor der Gegner mit den Mitteln der physischen Zerstörung heimgesucht wird, versucht man ihn moralisch zu vernichten durch Verleumdung, falsche Anschuldigungen, Lenkung der öffentlichen Meinung in Richtung unsinnigster Intoleranz und durch jede Form von Indoktrination, besonders gegenüber der Jugend. Dies ist tatsächlich für jedes totalitäre Regime typisch» — so Johannes Paul II. in seiner Botschaft anlässlich des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa. Wenn man an das Ausmaß der Propaganda denkt, die die Aggression gegen die Ukraine vorbereitet hat und sie weiterhin begleitet, so muss man mit großem Bedauern feststellen, dass diese zerstörerischen Waffen keineswegs verschwunden sind; vielmehr hat sie noch raffiniertere und dadurch gefährlichere Formen angenommen.

Gegen eine solche Propaganda immun und wach zu bleiben, ist eine wichtige Aufgabe für diejenigen, die in der Wahrheit leben und die Freiheit fördern möchten.

Freiheit und Solidarität

Und nun das Letzte, worauf ich ihre Aufmerksamkeit lenken möchte. Während der Krieg und die Unterdrückung eine Niederlage der ganzen Menschheit bedeutet, stellt die Freiheit eine wertvolle Errungenschaft für die ganze Menschenfamilie dar. «Für unsere und eure Freiheit» — mit diesem Aufruf kämpften in verschiedenen historischen Perioden sowohl polnische als auch ukrainische Patrioten und appellierten damit an die Solidarität der Menschen des guten Willens in ganz Europa. «Unser Kreuz haben wir für alle getragen» — bekannten demütig die Häftlinge von Norilsk und gaben aus der Dunkelheit des Sowjetischen Systems ein hoffnungsvolles Zeichen an die freie Welt, die mit ihnen solidarisch geblieben war. Man würde sich sehr irren, wenn man denken würde, die Protestierenden auf dem Maidan in Kiew hätten nur für ihre eigenen Rechte demonstriert und nur für die Werte, die nur sie brauchen, einen hohen Preis bezahlt.

Die Tatsache, dass wir heute 70. Jahrestag des Warschauer Aufstandes Gedenken, erlaubt mir die Worte des «polnischen» Papstes zu zitieren, die er zu seinen Landesleuten in Sopot 1999 gerichtet hat: «Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität» — «Nie ma wolności bez solidarności». Dieses in Polen geflügelt gewordene Wort hat Polens Staatspräsident Bronislaw Komorowski aufgegriffen, als er beim diesjährigen Fest der Freiheit unterstrich: «Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität mit denen, die um ihre Freiheit kämpfen, die von ihrer Freiheit träumen, die ihre Freiheit verteidigen».

Wenn heute ein großer Teil Europas sich über den Frieden und die Freiheit freut, so ist es nicht zuletzt der breiten Solidaritätsbewegung zu verdanken, durch die die freien Staaten und Nationen Europas den Völkern Osteuropas zur Seite gestanden haben und sie in ihren Bemühungen konsequent unterstützt haben. Heute erlebt ein weiterer — östlicher — Teil Europas die Periode seines Ringens um die Freiheit. Bis heute haben wir uns nicht im Stich gelassen gefühlt. Und ich bin da, um mich bei Ihnen dafür im Namen meines Volkes zu bedanken und um weitere Solidarität zu bitten. Die Geschichte Europas wird heute in der Ukraine geschrieben. Wie wird sie morgen aussehen und wie wird sie von den künftigen Generationen der Europäer bewertet, hängt von uns allen ab.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!